„Kom mol to Kark“ - so pflegte Pastor Ewald Dittmann die Leute auf plattdeutsch zum Gottesdienst einzuladen.
Geboren wurde er am 11.5.1877 als Lehrersohn in Neuenkirchen/Dithm.
Gestorben ist er am 20.04.1945 im Konzentrationslager/ Arbeitserziehungslager Kiel Russee.
Dorthin wurde er auf Betreiben von eigenen Gemeindegliedern von der Gestapo im März 1945 in Schutzhaft verbracht. Sechs Monate sollte die Maßnahme dauern. Doch schon im Monat darauf ist er – vermutlich – mit Medikamenten vergiftet worden.
Gesundheitlich angeschlagen, waren nicht nur die Arbeitsbedingungen zu schwer für den kranken Mann, auch die Schikanen des Lagerpersonals haben ihm zugesetzt. In einem Massengrab wurde er verscharrt.
Grausam und zynisch war das System nicht nur gegen Widerständler und Gefangene, sondern gegen das ganze Volk. Einige Tage nach dem 20.April erschien ein Gestapo-Beamter beim Bruder von Ewald Dittmann und teilte ihm mit, dass das Entlassungsgesuch genehmigt wurde – um gleich hinzuzufügen, dass der Gefangene aber nunmehr verstorben sei.
Bereits im September 1945 wurde eine Gedenkfeier für Pastor Ewald Dittmann in der St.Laurentius-Kirche gehalten. Nachdem die Toten im Massengrab identifiziert wurden, sind die Gebeine von Pastor Dittmann 1958 nach Süderhastedt überführt und auf dem Friedhof beigesetzt worden.
In seiner Predigt erinnerte Bischof Wilhelm Halfmann an die Naturverbundenheit von Dittmann, an seine Heimatliebe und an seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Im egalitären Total- und Gewaltsystem des Dritten Reiches mußte er mit diesem in Konflikt geraten.
Ewald Dittmann war kein Widerständler wie etwa Dietrich Bonhoeffer. Er hat sich größtenteils aus der Politik herausgehalten, hat keine Schriften verfaßt und in Predigten keine Stellung bezogen. Aber in Gesprächen hat er Ungerechtigkeit beim Namen genannt und am Verhalten von Parteimitgliedern und Mitläufern Kritik geübt. Den Nationalsozialismus hat er verabscheut. Zum Ortsgruppenleiter hatte er ein gespanntes Verhältnis. Der Bürgermeister von Süderhastedt war ihm auch nicht freundlich gesonnen.
Seit 1943 wohnte eine in Hamburg ausgebombte Familie – Mutter mit 4 Kindern - im Pastorat. Als 1945 viele deutsche Flüchtlinge aus den Ostgebieten des Reiches auch in Dithmarschen ankamen, sollten weitere fünf Menschen (drei Frauen und zwei Kinder) im Pastorat untergebracht werden. Pastor Dittmann äußerte die Bitte, eine andere Lösung zu finden, hat auch selber für die Familie eine andere Unterkunft gefunden, aber schon die Bitte wurde als Verweigerung ausgelegt. Für die Partei Grund genug, gegen ihn zu ermitteln.
Zu der Zeit hatte Pastor Dittmann nicht nur die Kirchengemeinde Süderhastedt zu betreuen, sondern auch die Kirchengemeinde Burg. Dazu gehörten mittlerweile auch viele Flüchtlinge, alles zusammen etwa 10.000 Menschen.
Die Gestapo hat ihn gesucht, als er dienstlich in Burg unterwegs war. Da sie ihn in Süderhastedt nicht angetroffen hat, wurde er nach Heide bestellt. Er ist mit dem Fahrrad hingefahren. Dort wurde er sofort in Schutzhaft genommen und ins KZ überstellt. Die Gestapo soll in Süderhastedt angerufen haben: Wir haben euren Pastor bei uns. Was sollen wir mit ihm machen? Die Antwort aus Süderhastedt: Behaltet ihn!
Pastor Dittmann war den Strapazen des Lagers nicht gewachsen. Auch im Lager positionierte er sich gegen ungerechte Behandlung. Er wurde für die Verteilung der Essensrationen eingesetzt. Die ausländischen Gefangenen sollten kleinere Rationen bekommen. Darüber hat er sich beschwert. Das wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Das war das letzte Mal, dass er rebellisch tun konnte.
Dieser Charakterzug durchzog sein Leben.
Zum
Vikariat wurde er nach Hademarschen geschickt. Hier sollte er die
Kanalbauarbeiter betreuen. Deren Unterbringung erachtete er für
ungenügend. In einem Brief an den Präsidenten des Kanalbauamtes
verlangte er die Beseitigung der Mißstände. Dieses wandte sich an
die Kirchenobrigkeit. Das Kirchenkonsistorium hat den Vikar gerügt.
Auch später wurde er einige Male zum Kirchenamt nach Kiel zitiert und mußte sich verantworten.
Die erste Pfarrstelle von Ewald Bernhard Johannes
Adolf Dittmann war Neugalmsbüll. Nach 23 Jahren hat er sich in
Süderhastedt beworben und wurde gewählt. Von Februar 1933 bis März
1945 war er Pastor der Kirchengemeinde Süderhastedt. Bei seiner
Einführung hat er über die Bibelstelle Apostelgeschichte 4,12
gepredigt:
"In keinem andern ist das Heil, ist auch kein anderer
Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen
selig werden".
Er hat bewußt diesen Vers ausgesucht, weil dieser ihn seit seinen Vikariatstagen begleitet hat.
Bei der Gedenkfeier für Pastor Dittmann im Jahr 2010 hat Christian Kruse/Hollenborn, der in Eggstedt-Moor aufgewachsen ist, von Pastor Dittmann berichtet. Als Ewald Dittmann mit seinem Dienst in Süderhastedt begonnen hat, hat er die Kirchenältesten der Reihe nach aufgesucht. So kam er auch zum Großvater von Christian Kruse. Bei dieser Begegnung hat Ewald Dittmann von seiner geistlichen Entwicklung erzählt:
"Als junger Vikar mußte ich meinen Dienst in der Kirchengemeinde Hademarschen
tun... So kam ich auch in das kleine Dorf Liesbüttel. Auf der großen
Diele, nicht der Hausflur, sondern die Diele im Wirtschaftsteil habe
ich mich mit einem Bauern heftig gestritten. Hauptstreitthema:
Apostelg. 4,12 (s.o.). Ich glaubte, dem Bauern beweisen zu können, daß das
Heil nicht nur im Kreuz Christi liegt. Ich wollte es einfach nicht
wahrhaben, was da geschrieben steht. Das Streitgespräch wurde
heftig, und so manche Bibelstelle mußte herhalten, um sein Gegenüber
zu überzeugen.
Aber der Bauer schenkte mir nichts, denn er war
sehr bibelkundig. Wir sind dann nach langem hin und her in
Meinungsverschiedenheiten, aber nur in der Sache,
auseinandergegangen. Damals wollte ich dem Bauern kein Recht geben,
aber heute, nach vielen Jahren, weiß ich es: Recht hat er doch
gehabt. Der Bauer war mir ein Wegweiser zu dem gekreuzigten und
auferstandenen Jesus."
Der Großvater von Christian Kruse ließ
Pastor Dittmann ausreden und sagte dann ruhig:
"Mein lieber Pastor,
diese Geschichte ist mir bekannt, der Bauer aus Liesbüttel ist mein
Vater."
Man kann darüber debattieren, ob Ewald Dittmann
als Märtyrer bezeichnet werden kann. Wenn er sich für andere
eingesetzt hat, dann geschah das eben auch aus dem Glauben heraus.
Daß der christliche Glaube bei totalitären Systemen aneckt, hat die
Geschichte reichlich belegt.
Ewald Dittmann war konservativ und
kaisertreu. Als Soldat im 1.Weltkrieg hat er das Ende des Krieges in
Belgien erlebt. In einem Raum hing das Bild von Kaiser Wilhelm II. Er
schnitt das Bild aus dem Rahmen und hat es mitgenommen. Das Bild hing
bis zuletzt in seinem Arbeitszimmer. Neben der Vaterlandsliebe war er
geprägt von der Liebe zur ewigen Heimat. Die, das hat er bezeugt,
garantiert der Glaube an Jesus Christus.
Die Kirchengemeinde Süderhastedt hat 1995 und
2010 eine Gedächtnisfeier zu seinen Ehren gehalten.
Jetzt, 80
Jahre, nach seinem Tod, wäre das wieder mal dran. Zu einem
Gedächtnisgottesdienst am 12.Oktober 2025, 10 Uhr wird hiermit
eingeladen.
(Pastor Alfred Sinn; Kirchengemeinde
Süderhastedt, Dithmarschen.)